Rechtswidrigkeit einer Einkesselung
VG Düsseldorf vom 16.1.2013, Aktenzeichen: 18 K 5912/11
Die Ingewahrsamnahme des Klägers ist rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 2 Polizeigesetz lagen gegenüber dem Kläger nicht vor.Nach dieser Vorschrift kann ein Person in Gewahrsam genommen werden, wenn das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der Beklagte hat weder substantiiert vorgetragen noch bewiesen, dass der Kläger zu der Gruppe zählte, aus deren Mitte es gegenüber der Polizei zu straftaten gekommen war. Der Kläger hielt sich räumlich getrennt etwa 40 m entfernt von der fraglichen Gruppe auf. Weder warf er Gegenstände auf die Polizisten noch bot er Werfern durch seine Anwesenheit Schutz, indem er diesen Straftätern als menschliches Schutzschild Deckung vor einer Identifikation durch die Polizeikräfte bot. Vielmehr geriet der Kläger erst durch die Auftriebmaßnahmen der Polizei In die Phalanx der mit Werfern aufgerüsteten Gruppierung, der er originär nicht angehörte.
Der Kläger war daher weder Teilnehmer einer unmittelbar bevorstehenden noch einer fortgesetzten Straftat mit der Folge, dass er nicht in Gewahrsam genommen werden durfte. Auch als Kollateralschaden ist eine derartige Vorgehensweise der Polizei nicht zu rechtfertigen. Der Kläger hielt sich legal 40 m von der Werfergruppe entfernt auf, ein Platzverweis war ihm gegenüber nicht ausgesprochen worden. Dann kann es auch nicht angehen, dass der Kläger quasi als Beifang in polizeilichen Gewahrsam genommen wird. Die Rechtswidrigkeit dieser polizeilichen Maßnahme erfasst zwangsläufig alle äußern Umstände, die mit dem unmittelbaren Vollzug der zeitweisen Freiheitsentziehung verbunden sind.
Rechtswidrige Festnahme und Handybeschlagnahme
VG Düsseldorf vom 26.2.2013, Aktenzeichen: 18 K 5684/10
Der Kläger fuhr am Samstag, den 8. Mai 2010, von Rostock nach Düsseldorf, um dort am Nachmittag des 9. Mai 2010 im Stadion das Fußballspiel Fortuna Düsseldorf gegen Hansa Rostock in der 2. Bundesliga zu sehen. Am Abend des 8. Mai 2010 gegen 23.00 Uhr hielt er sich in der Düsseldorfer Altstadt in der Kurzen Straße im Bereich zwischen Burgplatz und dem „Bierhaus Zille“ auf. Nachdem es an einer von der Polizei eingerichteten Sperrstelle zu Ausschreitungen von Rostocker „Fans“ gegenüber den Beamten gekommen war, räumte die Polizei gegen 00.00 Uhr den Bereich Kurze Straße in Richtung Burgplatz. Dabei wurde neben zahlreichen anderen Personen auch der Kläger In Gewahrsam genommen. Seine Identität wurde unter Anfertigung von Lichtbildaufnahmen in einem am Burgplatz bereitgestellten Mannschaftswagen der Polizei und später erneut im Polizeipräsidium festgestellt; ferner wurde er bei diesen Gelegenheiten jeweils körperlich durchsucht. Im Präsidium stellte die Polizei außerdem sein Handy sicher. Die Freilassung des Klägers erfolgte am 9. Mai 2010 gegen 21.15 Uhr, nachdem das Fußballspiel beendet war.
Demnach gibt es keine konkreten Erkenntnisse der Strafverfolgungsorgane, die darauf hindeuten, dass der Kläger aktiv an den Ausschreitungen beteiligt war. Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, dass seine Ingewahrsamnahme zur Verhinderung etwaiger Straftaten im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW unerlässlich gewesen wäre. Vielmehr spricht alles dafür, dass es zur Erreichung dieses Zieles ausgereicht hätte, gegenüber dem Kläger nach erfolgter Identitätsfeststellung und Durchsuchung einen Platzverweis (§ 34 PolG NRW) auszusprechen.
Einem repressiven Vorgehen auf strafverfahrensrechtlicher Grundlage (vgl. § 127 StPO: vorläufige Festnahme) steht gleichfalls das Fehlen eines individuell gegen den Kläger gerichteten Tatverdachts entgegen. Ferner erschließt sich nicht, aus welchen Gründen eine Festnahme des Klägers, nachdem seine Identität geklärt war und Lichtbilder von ihm gefertigt waren, erforderlich gewesen sein sollte, um den staatlichen Strafverfolgungsanspruch zu sichern. Vielmehr drängt sich die Annahme auf, dass es der Polizei in erster Linie darum ging, ihn so lange unter Verschluss zu halten, bis das Fußballspiel beendet war.
Die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung erfasst zwangsläufig alle äußeren Umstände, die mit dem unmittelbaren Vollzug dieser Maßnahme verbunden waren. Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang lediglich, dass der Beklagte es rechtsfehlerhaft versäumt hat, unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Freiheitsentziehung herbeizuführen (vgl. Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG, § 36 PolG NRW).
Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Klagebegründung (insbesondere zu dem Erfordernis, bei absehbar höherem Aufkommen von Ingewahrsamnahmen im Vorfeld entsprechende Vorkehrungen zu treffen) verwiesen, die das Gericht für zutreffend hält, zumal der Beklagte ihnen nicht entgegen getreten ist — ferner, ·dass der Beklagte dem Kläger hätte Gelegenheit geben müssen, nach der Ingewahrsamnahme einen Angehörigen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 PolG NRW).
Rechtswidrig gewesen ist ebenfalls die SichersteIlung des Handys des Klägers, da die Voraussetzungen des § 43 PolG NRW nicht vorlagen. Von diesem Gegenstand ging weder eine gegenwärtige Gefahr aus (§ 43 Nr. 1 PolG NRW) noch waren Verlust oder Beschädigung der Sache zu befürchten (§ 43 Nr. 2 PolG NRW). Dass das Handy geeignet sein könnte, zu töten oder zu verletzen, Leben oder Gesundheit anderer oder fremde Sachen zu beschädigen bzw. die Flucht zu ermöglichen oder zu erleichtern (§ 43 Nr. 3 PolG NRW), ist im vorliegenden Fall nicht vorstellbar.
Hingegen ist die im Mannschaftswagen der Polizei vollzogene Identitätsfeststellung des Klägers rechtlich nicht zu beanstanden, da die Voraussetzung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) PolG NRW auch nach dem Vorbringen des Klägers gegeben waren. Der Kläger hatte sich an einem Ort aufgehalten, an dem Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung (schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung) verübten bzw. verübt hatten.